“Ich weiß es, auf meiner Haut und auf der meines Vaters”

Ein Brief gegen den 41bis und in Solidarität mit Alfredo

Die erschütternde Geschichte von Alfredo Cospito, der den Hungertod riskiert, um auf die Abscheulichkeiten des 41bis und allgemein des menschenverachtenden Gefängnisses hinzuweisen, obwohl er niemanden getötet hat, findet meine volle Sympathie. Ich weiß am eigenen Leib und an dem meines Vaters, was das bedeuten kann. Auch mein Vater, Vincenzo Stranieri, hatte niemanden umgebracht, aber wegen kleinerer Vergehen, in seinem Fall im Zusammenhang mit der Sacra Corona Unita (1), verbrachte er 37 Jahre in feindseliger Gefangenschaft. 

Jahrelang konnte ich ihn nicht sehen, weil er mich aufgrund der psychischen Probleme, die durch dieses extreme Regime, das darauf abzielt, zu brechen, verursacht wurden, selbst nicht sehen wollte… aber es war seine Krankheit, die sprach, es war nicht mehr sein Wille. Mein Bruder bekam auch psychische Probleme, er war das Opfer der blindwütigen Niedertracht, auch gegenüber Kindern, jeden körperlichen Kontakt ab dem Alter von 12 Jahren mit einer perversen Trennwand aus Glas in voller Höhe zu verhindern… offiziell, um unerlaubte Nachrichten zu vermeiden, in Wirklichkeit völlig nutzlos und lästig, da man durchsucht wird und die Gespräche aufgezeichnet werden. 

Ich selbst war damals in den Hungerstreik getreten, um die Bedingungen meines Vaters anzuprangern, die mit der Anwendung des 41bis Haftregimes nicht in Einklang zu bringen waren, denn er war schwer krank: Wegen eines Tumors im Kehlkopf hatten sie ihm die Stimmbänder entfernt, er weigerte sich zu essen, er ließ sich sterben; eine Zeit lang hatten sie sogar einen Schlauch direkt an seinen Magen angeschlossen, um ihn zu ernähren. Er konnte weder schlucken noch sprechen, aber nicht einmal dann hörte die Verbissenheit auf, nicht einmal dann erliessen sie ihm seinen 41bis.

Mein Vater, der im Alter von 15 Jahren zum ersten Mal ins Gefängnis kam, war ununterbrochen inhaftiert, vom Alter von 24 Jahren bis er über 60 Jahre alt war. Mein Vater war bereits seit 1984 im Gefängnis, als sie ab 1992 automatisch den 41bis anwandten, den er während seiner gesamten Haftzeit hatte und den sie auch auf ihn anwandten, als er in der geschützten Gesundheitseinrichtung “Santi Paolo e Carlo” war und auch als er, obwohl er seine Haftstrafe beendet hatte, in einem Bauernhaus interniert wurde, weil er, wir wissen nicht inwiefern, immer noch als gefährlich angesehen wurde und immer noch unter dem 41bis Regime stand. 

Diese Maßnahme, die Internierung, die auf den Code Rocco aus der Zeit des Faschismus zurückgeht und die sogar auf unbestimmte Zeit erfolgen kann, so dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese willkürliche Dauer einer Freiheitsbeschränkung, die einer Gefängnisstrafe zu ähnlich ist, verurteilt hat… Und die Anklage ‘des Massakers’, sogar ‘des versuchten Massakers’, die Alfredo Cospito zur Last gelegt wird, ist ebenfalls auf die Überreste des Rocco Code zurückzuführen, der in unserem Rechtssystem noch immer präsent ist… Dabei hatten die demonstrativen Handlungen, für die Alfredo Cospito verurteilt wurde, nicht einmal das Potenzial eines Massakers, da es sich um Sprengvorrichtungen mit geringem Potenzial handelte, an verlassenen Orten und bei Nacht. 

Ich habe befürchtet, meinen Vater für immer zu verlieren, denn selbst nach seiner Entlassung musste er lange Zeit in einem Pflegeheim bleiben, um rehabilitiert zu werden; erst seit kurzem kann ich einige seiner Fortschritte sehen. Mein Vater überlebte dieses Foltersystem, das ihn brechen sollte, nur knapp, ohne therapeutische Betreuung, ohne Resozialisierungsmaßnahmen. Aufgrund dieses größeren Bewusstseins unterstütze ich, die ich empört bin und aus familiären Gründen das extreme Leid dieses Regimes kenne, voll und ganz das Engagement für das Leben von Alfredo Cospito und gegen 41bis. 

Das Engagement von Alfredo Cospito für alle leidenden Häftlinge hat außerdem das abscheuliche Gesicht eines bestimmten Systems gezeigt, das nicht einmal mit der Wimper zuckt, wenn ein Mensch an Hunger zu sterben droht, nur um nicht auf ein Instrument der Obstruktion zu verzichten… eine Obstruktion, die bereits vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und vom italienischen Verfassungsgerichtshof verurteilt wurde.

Deshalb ist mein Bekenntnis zu Alfredo Cospito ein absolutes Bekenntnis; Alfredos Sache ist jetzt eine Fahne für alle, die gegen diese extremen Formen der versuchten Vernichtung kämpfen.

Anna Stranieri

Der Artikel wurde am 24. Februar 2023 im italienischen Original auf il rovescio.info veröffentlicht. Die Sacra Corona Unita (1) ist eine Mafia-Organisation in der Region Apulien.