Strasbourg am 13. April – Odysseus lässt grüßen

Aus dem Dunstkreis der Proteste

Tritt eine neue Kraft hervor

Zieht zum Sturm auf die Paläste

Mit einer Wucht wie nie zuvor

Des Frühlings junge Triebe

Erblühen in schwarzer Pracht

Und stürzen vereint in Liebe

Gemeinsam in die Schlacht

Oh wie sehr haben sich die Bullen in den letzten Monaten doch bemüht, die Proteste nicht quer durch das Gesicht Strasbourgs ziehen zu lassen. Grande Île, das touristische Münsterviertel sollte um jeden Preis heile bleiben. So wurden nach dem Sturm auf die Brücke „del Bagno alle Rose“ und dem Sieg des Black Blocs am 06.04., meterhohe Gitter aufgestellt und die Truppenstärke am Ufer deutlich erhöht. Bloß keine Ausschreitung im Tourismusparadis. Doch wie bereits am letzten Streiktag unterschätzten sie ihren jungen Gegner und erlitten im Laufe der Gewerkschaftsdemonstration ihre zweite, klare Niederlage.

Dass die Polizei ihre altbekannten Stellungen verstärken würde, war klar. Doch die Gerissenheit der Antwort auf diese plumpe Machtdemonstration muss man unweigerlich Respekt zollen. Die Manifestation startete wie gewohnt auf der Avenue de la Liberté und zog Richtung Place Klebér. Kurz hinter der S-Bahn- Haltestelle „Homme de Fer“ vollführte die Spitze der Demonstration wie gewohnt ihre kleine Darbietung. Diese besteht in Straßburg seit einigen Streiktagen aus dem Entzünden von Pyrotechnik, dem Singen von Sprechchören und dem mehrmaligen Donnern mit einer Gaskanone. Dadurch hüllte sich die Kreuzung in Rauch und wurde für die, am Place Klebér stationierten Bullen, schwer einsehbar. Aus dem auf der Kreuzung stehenden Demonstrationszug löste sich die schwarze Horde heraus und begann die Rue du Vieux-Marché-aux-Vins herunterzuziehen. Untermalt von Raketen, die zwischen den Häusern in den Himmel schossen, verließen die Krieger das hölzerne Pferd und begannen mit der Eroberung Trojas.

Die erste Konfrontation mit den Cops folgte kurz darauf am pont national. Zwischen den mit Tränengaskartuschen Fußball spielenden Gestalten rauschten Raketen über das Wasser und explodierten über den Köpfen der flics. Diese blieben sichtlich mit der Situation überfordert auf Abstand. Da es keinen Anlass dafür gab, die Insel bereits zu verlassen, zog der Aufstand nach einigen Minuten zurück Richtung Gewerkschaftsroute und kreuzte diese wenig später unter dem Beifall der Alten.

Am Place Gutenberg muss ein einzelner Bulle mit ansehen, wie zuerst die dortige HSBC Filiale und danach die „Chambre de commerce et d’industrie“ attackiert wurden. Letztere wurde von oben bis unten mit einem Feuerlöscher eingedeckt. „Die Reinigung von Sandstein ist richtig aufwändig und beschissen“, merkt eine Gefährtin, beim Vorüberziehen lächelnd an.

Die Strategie des Blocs, immer wieder in der Gewerkschaftsdemonstration zu verschwinden, diese zu kreuzen oder auf derselben Strecke in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen, wurde in den darauf folgenden Stunden noch mehrfach angewandt und keine Gelegenheit ausgelassen, Steine und Hass den Bullen entgegenzuschleudern und ihre Stellungen herauszufordern.

Als die Gewerkschaftsdemonstration wieder auf der Avenue de la Liberté ankommt und hinauf Richtung Place de la Répuplique zieht, ist der Bloc völlig in ihr verschwunden. Am Endpunkt kommt es noch zu kleineren Auseinandersetzungen und die Bullen fluten den Platz mit Tränengas, um einzelne Verhaftungen durchführen zu können. 

So tragisch die Festnahmen an diesem Tage auch sein mögen, sind sie am Ende nicht mehr als verzweifelte Versuche einer sterbenden Macht, ihr unausweichliches Ende hinauszuzögern.

Au revoir.

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