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Das Tele-Meeting am Dienstagabend begann mit den neuesten Nachrichten aus dem Nahen Osten.
Nach dem massiven Angriff Israels auf Stellungen der Hisbollah im Libanon, bei dem Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Organisation, getötet wurde, schoss der Iran rund 200 Raketen in Richtung Tel Aviv ab.
Es sind materielle Entscheidungen, die Staaten zum Handeln zwingen, und sie alle tun dies innerhalb eines komplexen Geflechts von Bedingungen. In einem Interview, das auf YouTube zu finden ist („Ist es noch möglich, den Dritten Weltkrieg zu vermeiden?“), erklärt General Fabio Mini, dass die Weltlage nicht so sehr kompliziert als vielmehr komplex sei, da es viele Akteure gebe, die jedoch alle klar identifizierbar seien. Die Vernichtung der Hamas und der Hisbollah durch Israel kann nicht abgeschlossen werden, was eine Eskalation des Krieges auslöst. Verglichen mit der Vergangenheit steht der Aktion keine angemessene Reaktion gegenüber, sondern eine „zufällige“, chaotische und schwer vorhersehbare Reaktion.
Die Parole „Kampf gegen den Krieg, Kampf gegen den Kapitalismus“ ist für uns immer noch gültig, aber eine Massenbewegung muss ihr Substanz verleihen, und die kann nicht „kreiert” werden. Defätismus bedeutet, wie Lenin sagt, sich in erster Linie gegen die eigene Bourgeoisie zu wenden, im Frieden wie im Krieg. Partisanentum hingegen zielt auf ein Bündnis zwischen dem Proletariat und Teilen der Bourgeoisie. Für die luogocomunisti reduziert sich der Antiimperialismus auf eine antiamerikanische Einheitsfrontpolitik, eine Konzeption, die hinter der Kautskys zurückbleibt. Das Kapital hat sich völlig verselbständigt, Staaten und Regierungen zählen wenig und noch weniger aktivistische Gruppen, die, wie Bordiga sagt, nicht einmal in der Lage sind, den Wecker aufzuziehen.
Die Strömung, auf die wir uns beziehen, war immer anti-indifferentistisch und analysierte sorgfältig die nationalen Befreiungsbewegungen und ihre Auswirkungen auf die zwischenimperialistische Dynamik. In “Pressione ‘razziale’ del contadiname, pressione classista dei popoli colorati” (1953) wird aufgezeigt, wie die Klassenprägung des Proletariats bereits in den letzten antikolonialen Bewegungen entscheidend war. Da die Phase der zahlreichen Revolutionen vorbei ist, gilt die Parole der kommunistischen Unterstützung der Demokratie- und Unabhängigkeitsbewegungen nicht mehr. Im Nahen Osten haben wir es mit einem Flickenteppich von Völkern zu tun, die innerhalb der von den Westmächten nach dem Ersten Weltkrieg gezogenen Grenzen leben; die arabischen Bourgeoisien sind historisch gespalten, haben unterschiedliche Geschichten und Interessen, und es wird niemals eine Vereinigung geben. Israel will mit dem Abraham Packt die zwischenstaatlichen Beziehungen im Nahen Osten neu gestalten und sich als politisch-militärischer Bezugspunkt in der Region positionieren.
In den letzten Monaten hört man oft, dass palästinensische, libanesische oder irakische bewaffnete Formationen antiimperialistisch sind, weil sie gegen die Amerikaner oder Israelis schießen. Diese Parteinahme ist für das Proletariat heute besonders gefährlich, weil der klassische Krieg durch eine hybride Kriegsführung ersetzt wurde: Der moderne Konflikt ist eine Konfrontation zwischen Software und Intelligenz und bezieht gleichzeitig die gesamte Gesellschaft ein, von der Logistik bis zur Information.
Das Aufeinanderprallen von Kriegen, auch wenn sie von Armeen angezettelt werden, betrifft vor allem die Zivilbevölkerung, wie in Gaza oder im Libanon. Es gibt keine klare Trennung mehr zwischen Krieg und Politik, zwischen Soldaten und Zivilisten, und es ist unumgänglich geworden, eine als feindlich angesehene Bevölkerung zu eliminieren (Dahiya-Doktrin).(link d.Ü.)
Die Komplexität der kapitalistischen Welt ist das Ergebnis einfacher Gesetze, vor allem des tendenziellen Falls der Profitrate (“Transizione di fase. Prove generali di guerra” – rivista n. 55). Ausgehend von dem, was Marx schrieb, wissen wir, dass der Kapitalismus mit Verwertungsproblemen konfrontiert ist, die dazu führen, dass er sich selbst als spezifische Produktionsweise verleugnet. Die großen Investmentfonds zum Beispiel, die Dutzende von Billionen Dollar kontrollieren, stellen die letzte mögliche Entwicklung des kapitalistischen Eigentums dar, das längst von der Konzentration zur Zentralisierung übergegangen ist. Überproduktion von Waren ist immer Überproduktion von Kapital, das durch die Vergrößerung von Finanzblasen in die Zirkulationssphäre gelenkt wird.
Alle Staaten, von Israel über den Iran bis zu den USA, haben das Problem, die Heimatfront zu halten, und die Ausbreitung des Krieges kann ein weiterer Faktor der sozialen Instabilität sein. Die staatlichen Akteure, die in den Nahostkonflikt verwickelt sind, sind innerlich nicht kohärent, z. B. der Irak, in dem pro-iranische Milizen operieren, oder Syrien, das in mehrere Gebiete aufgeteilt ist, oder der Libanon, wo eine Zentralregierung von einer nichtstaatlichen Einheit wie der Hisbollah flankiert wird. Selbst Israel hat in seinem Inneren (Westjordanland) oder an seinen Grenzen (Gazastreifen) Gebiete, die von feindlichen bewaffneten Organisationen kontrolliert werden, die als Wohlfahrtsstaat fungieren. Bei jeder Untersuchung der weltweiten Kriegsmaschinerie muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass in den beiden derzeit brennenden Krisenherden (Naher Osten und Ukraine) der Staat zum Zerfall neigt.
Die Verfechter von Projekten wie dem Multipolarismus, verstanden als Zwischenstufe zum Sozialismus, sind getarnte Agenten des Kapitalismus. Sicherlich gibt es ein Übergangsterrain zwischen dem komatösen Kapitalismus und der zukünftigen Gesellschaft, aber das ist nicht zu verwechseln mit einem dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Wie wir in “doppia direzione/ doppelte Richtung” in der letzten Ausgabe von ‘Rivista’ geschrieben haben, lässt das unmittelbare Programm der Revolution keine Vermittlung zu. Die „Sozialisierung” mit der “Revolution“ zu verwechseln, ist ein großer Fehler, der bereits in den 1920er Jahren begangen wurde.
In den USA ist ein Streik in den Häfen der Ostküste im Gange. Das Herz des Kapitalismus sieht eine polarisierende interne Situation: Streiks in den großen Autoindustrien, von Hollywood-Arbeitern, von Boeing-Arbeitern. Auch Peking hat mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, viele Indikatoren (Industrieproduktion, Immobilienmarkt, Arbeitslosigkeit usw.) zeigen die Überalterung des chinesischen Kapitalismus. Auch dort kommt es aufgrund der sich verschlechternden Lebensbedingungen der Proletarier zu Massenstreiks.
Im Jahr 1917 wurde Kornilows Putscharmee von der Roten Armee besiegt. Wenn Millionen von Menschen auf die Straße gehen, können auch die Streitkräfte die Seiten wechseln; die Armeen waren ein Hauptinstrument aller Revolutionen. Israel ist eine wichtige Untersuchungsterrain: In dem Land gab es Zusammenstöße auch innerhalb der Streitkräfte, Straßendemonstrationen gegen die Regierung Netanjahu, Gruppen von Reservisten, die sich der Einberufung zum Dienst widersetzten. Mit dem Anschlag vom 7. Oktober sind diese Auseinandersetzungen zwar in den Hintergrund getreten, aber nicht völlig verschwunden.
Aus den Klassenkämpfen, die in der Welt entstehen werden, wird ein Organismus hervorgehen, der ein politisches Programm hat, das im Gegensatz zu den im Umlauf befindlichen steht und die Zukunft der Gattung repräsentiert. Die Menschheit hat die Fähigkeit verloren, sich auf die planetarische Homöostase einzustellen; sie hat keine Kontrolle über die Maschinen, die sie selbst gebaut hat. In der Tat besteht die Gefahr, dass der Krieg zwischen den Maschinensystemen die Oberhand gewinnt und der Mensch zu einem zweitrangigen Element wird. Die Notwendigkeit, die Homöostase wiederherzustellen, wird von den bürgerlichen Wissenschaftlern selbst angesprochen. In „Rivoluzione anti-entropica/ Anti-entropische Revolution“ haben wir mehrere Autoren zitiert (Capra, Maturana, Varela, Bateson, Margulis, Lovelock usw.), denen jedoch ein konsequentes politisches Programm fehlt, da sie nicht mit dem Kapitalismus und seiner Logik gebrochen haben.
Der Kapitalismus versucht, die von der Gesellschaft gestellten Forderungen (grüne Ökonomie, die Woke-Ideologie usw.) zu erfüllen, aber der Reformismus hat immer weniger Energie. Es herrscht Chaos, und gleichzeitig können wir darin eine Ordnung erahnen. Aus dem chaotischen Flimmern der sozialen Atome werden neue Strukturen entstehen, wie sie im Konzept der Linken zur Umwälzung der Praxis beschrieben werden („Teoria e azione nella dottrina marxista/ Theorie und Aktion in der marxistischen Lehre“, 1951).
Veröffentlicht am 5. Oktober 2024 auf Quinterna Lab, ins Deutsche übersetzt von Bonustracks.