KonjunkTION und Revolution

Giorgio Agamben

Man sollte nicht müde werden, darüber nachzudenken, dass einer der Schlüsselbegriffe unseres politischen Vokabulars –  rivoluzione – aus der Astronomie stammt, wo er die Bewegung eines Planeten auf seiner Umlaufbahn bezeichnet. Aber auch ein anderer Begriff, der in der allgemeinen, für unsere Zeit charakteristischen Tendenz, die politischen durch wirtschaftliche Kategorien zu ersetzen, an die Stelle der Revolution getreten ist, stammt aus dem astronomischen Lexikon. Es handelt sich um den Begriff „Konjunktur“, auf den Davide Stimilli in einer beispielhaften Studie aufmerksam gemacht hat.

Dieser Begriff, der „die Phase des Wirtschaftszyklus, die die Wirtschaftstätigkeit in einem bestimmten kurzen Zeitraum durchläuft“, bezeichnet, ist eigentlich eine Abwandlung des Begriffs „Konjunktion“, der das Zusammentreffen der Position mehrerer Sterne zu einem bestimmten Zeitpunkt bedeutet.

Stimilli zitiert die Passage aus Warburgs Aufsatz „Die alte heidnische Weissagung in Texten und Bildern der Lutherzeit“, in der Konjunktion und Revolution einander gegenübergestellt werden: „Nur innerhalb großer Zeiträume, die Revolutionen genannt werden, waren solche Konjunktionen zu erwarten. In einem sorgfältig ausgeklügelten System wurden große und größte Konjunktionen unterschieden; letztere waren die gefährlichsten, weil sie durch das Zusammentreffen der übergeordneten Planeten Saturn, Jupiter und Mars bedingt waren. Je mehr Konjunktionen zusammentrafen, desto erschreckender erschien die Tatsache, dass der Planet mit dem günstigsten Charakter den schlimmsten Einfluss haben konnte“. Und es ist bezeichnend, dass gerade ein Revolutionär wie Auguste Blanqui, der in seinen Erwartungen enttäuscht wurde, am Ende seines Lebens die Geschichte der Menschheit als etwas begreifen konnte, das sich, wie die Bewegung der Sterne, unendlich wiederholt und ewig die gleichen Darstellungen rezitiert.

Was sich heute vor unseren Augen abspielt, ist ein solches Phänomen, bei dem eine wirtschaftliche Konjunktur, die ihrem Wesen nach kontingent und willkürlich ist, versucht, ihre furchteinflößende Herrschaft über das gesamte gesellschaftliche Leben zu erlangen. Wir täten also gut daran, die Verbindung zwischen der Politik und den Sternen vorbehaltlos aufzugeben und in allen Bereichen das Band zu durchtrennen, das das astronomische Schicksal und die Revolution, die Notwendigkeit und die wirtschaftliche Konjunktur, die Naturwissenschaften und die Politik miteinander verbinden soll. Die Politik ist weder den himmlischen Sphären noch den Gesetzen der Wirtschaft eingeschrieben: Sie liegt in unseren schwachen Händen und in der Klarheit, mit der wir jeden Anspruch zurückweisen, diese in Konjunkturen und Revolutionen zu fesseln.

15. Januar 2025

Übertragen aus dem italienischen Original von Bonustracks.