Anonym
Sie konnten uns nicht erwischen. Madison, Wisconsin. Erinnerst du dich an das Gefühl, nach unserem ersten Beischlaf mit der Illegalität von wahnsinnigem Gelächter überwältigt zu werden? Nein, es wird die Welt nicht verändern und die meisten würden nicht viel davon halten. Und es hat sicher nichts mit Revolution, Bewegung oder Marxismus zu tun. Aber es… fühlte sich unglaublich an! Am Anfang war es nur eine Idee, die in einem unserer „Was wäre wenn“-Gespräche nach dem Sex formuliert wurde. Es gab nicht viel Planung. Es war mehr ein „Scheiß drauf – lass es uns tun!“ Ich hätte nie gedacht, dass diese eine Nacht zu einer lebenslangen Serie von größeren und aufregenderen Dingen führen würde. Wir haben in dieser Nacht so viel übereinander gelernt. Mehr als wir uns je hätten vorstellen können. Unsere Herzen schlugen zusammen, als wir unseren beladenen Einkaufswagen vorsichtig an den Kassen vorbei schoben und dann durch die automatischen Türen gingen. An diesem Abend fand unser allererster Lebensmittelraub statt! Wir aßen die ausgefallensten veganen Gerichte, die wir uns niemals hätten leisten können. Wir entdeckten einen Mut in uns, von dem wir nie gedacht hätten, dass wir ihn haben. Was bedeutet es, den Sicherheitsapparat, der uns mit Angst unterdrücken soll, zu überwinden, zu umgehen und schließlich zu durchbrechen? Was bedeutet es, mit dem Adrenalin wie auf einer Welle in ein Meer von unbekannten Möglichkeiten zu reiten?
Fast forward: Ich erinnere mich an den Widerschein des Mondlichts in deinen Augen, an unser Flüstern, das vor Erregung zitterte. Wie ein nervöses erstes Date unter der Decke einer sternenklaren Nacht hatten unsere Herzen Appetit auf Zerstörung. Warum im Kreis laufen und Schilder halten, wenn Sabotage so viel mehr Spaß macht? Wir beendeten unsere Mission und huschten in die Dunkelheit, verfolgt von der Ahnung der Ungewissheit: Hat uns jemand gehört? Wurde die Polizei schon gerufen? Wie lange wird es dauern, bis sie uns erwischen? Sie waren sicher schon nah dran… Wir überlegten. Gezogene Pistolen? Eine Schießerei? Wir sind zu wild für die eisernen Gitterstäbe eines Käfigs; wir können es nicht einmal lange in einem Haus aushalten! Wie wird das alles enden? Wen interessiert das schon… Die Gegenwart gehört uns!
Noch etwas weiter vorspulen: Erinnerst du dich daran, meine Liebe? Vandalismus, Feuer, Sirenen in der Ferne. Ich bin kurzzeitig wie gelähmt von diesen wunderschönen grünen Augen, die hinter deiner Sturmhaube hervorblitzen. Minneapolis 2020: Riots werden nicht den Zusammenbruch der Gesellschaft herbeiführen. Zumindest nicht, bevor die Kugel eines anderen Cops ein weiteres Leben tötet. Aber während die Revolutionäre damit beschäftigt sind, eine weitere Analyse zu verfassen und verzweifelt versuchen, die Geschichte zu kontrollieren, werden du und ich etwas Spaß haben! Wir streifen unsere zivilisierte Haut ab und werden im Rausch der sozialen Unruhen aus dem Konzept gebracht. Jeder von uns hat seine eigene komplexe Geschichte und seine eigenen Traumata. Wir reichen uns gegenseitig faustgroße Betonstücke, die wir auf alles schleudern, was zerbrechen kann. So viel Wut, Traurigkeit und Frustration. So viel um uns herum, an dem wir sie auslassen können. Wir zertrümmern alles, was sich uns in den Weg stellt, und zücken unsere Messer gegen jeden, der versucht, uns aufzuhalten. Es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren, Siege oder Niederlagen. Wir scheren uns einen Dreck darum, wie die Medien uns darstellen.
Wir haben keine Massen zu organisieren oder zu führen. Zerstörung um der Zerstörung willen erzeugt einen Rausch, der süchtiger macht als alles, was Philip Morris, Anheuser-Busch oder ein Drogenlabor je produzieren könnten. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung treiben zu viele in endlose Zyklen kulturell geförderter chemischer Selbstzerstörung. Die einzigen anorganischen Chemikalien, die du und ich je gebraucht haben, sind Benzin, der Asphalt und Kaliumchlorat. Anarchie ist ein Weg, den wir uns durch diesen Betondschungel bahnen, angetrieben von einem Freiheitsinstinkt, der so ursprünglich ist wie unser Wunsch zu ficken. Wie Santino „Sonny“ LoSpecchio einst sagte: „The working man is a sucker”.
Auch wenn wir wussten, dass es so kommen würde, ist es dennoch eine Schande, dass nach all den Bränden und den zerbrochenen Fenstern alles wieder aufgebaut wurde. Was ist schlimmer? Die Tatsache, dass ein neuer Target and Wendy’s auf der Asche des alten existiert, oder dass es die Arbeiterklasse war, die für den Wiederaufbau verantwortlich ist?
Die Art, wie du dich bewegst, hat es in sich, meine Liebe. Warst du jemals wirklich domestiziert? Die Herrscher der Zivilisation haben dich einst davon überzeugt, dass in deinem Gehirn etwas kaputt ist. Die Anwendung des Krankheitsmodells als Erklärung für dein aufmüpfiges Verhalten hat ihre eigene Verleugnung offenbart; sie sahen in jedem von ihnen ein Abbild von dir. Aber sie haben Rollen zu erfüllen und soziale Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn sie ihren Humanismus ablegen. Du hast alles abgestreift. Tapfer bist du in die schwarze Nacht der Amoralität geflohen. Ich kann deinen Schalk in meinen Träumen hören. Ich habe endlich ein Gesicht für jede Rebe gefunden, die den Asphalt zerbricht. Unsere Sprache der Liebe breitet sich aus wie das Trümmerfeld eines abgestürzten Flugzeugs.
Unsere Feinde sagen, dass wir uns gegenseitig verdienen. Sie könnten nicht richtiger liegen. Wir springen auf Züge zu den Riots, damit wir unseren Beitrag zur Zerstörung ihrer Städte leisten können. Wir jagen sie mit gezückten Dolchen durch die Wohnstraßen. An diesem Tag waren sie schnell, aber vielleicht sind wir beim nächsten Mal schneller…
Amerika ist jetzt reifer denn je, um auseinander genommen zu werden. Ein großer sicherer Raum für MAGA-Anbeter und bewaffnete Stiefellecker. Vielleicht können wir mit genügend Streichhölzern dieses Jahr zu einem Jahr ohne Winter machen. In der Hitze dieses Landes, das in Flammen steht, explodieren unsere Küsse wie Munition. Vielleicht schließen sich andere uns in einer Orgie des Chaos an, in der die Romantik sich durch die Angst vor dem Gefängnis brennt und sich mit der Liebe zu unseren Körpern, der Liebe zu unserem eigenen Leben vermischt – Queers, Transsexuelle, Schwule und andere schöne Abweichler, die tanzen und ficken wie tausend Macheten, die auf das Weiße Haus einhacken.
Die Galaxie liegt in deinen Augen, meine Liebe. Wie der Blitz einer Rohrbombe erhellt dein Lächeln meinen Tag. Erinnerst du dich an unser allererstes Gespräch? Ich konnte die Tiefe deines Blicks in meiner Brust spüren. Verzehrt von einer unaufhaltsamen Anziehungskraft deiner Ehrlichkeit, deines Mitgefühls und deines sanften Lächelns, war ich wie gelähmt, als mein Herz die Chemie mit etwas mehr als nur Liebe synthetisierte. Zwei Katzen, die auf einem Grabstein auf dem Shupea-Friedhof sitzen und über unser Leben nachdenken. Ich spüre, wie all diese Erinnerungen das Universum um uns herum wie eine Decke zusammenpressen, während wir uns zu der Kakophonie der Gewitter auf einer Matratze aus Narkose aneinander kuscheln.
Meine Liebste, diese gemeinsamen Erlebnisse sind so übergangslos wie die Wellen in einem Ozean. Für andere mag dies nur die Geschichte zweier quecksilbriger Herzen, die durch den Funken eines ersten Kusses entflammt wurden, sein. Aber was auch immer uns unter diesem schwarzen Regenbogen namens Leben begegnen mag, ich freue mich darauf. Wir werden auf den Wellen jedes Hurrikans reiten, der auf das Land trifft. Bis ihre Kugeln bei einer Schießerei unser Blut in Konfetti verwandeln oder wir einfach alt werden und uns mit einem gemeinsamen Todesröcheln in den Schlaf singen… Mehr Riots! Vandalismus! Anarchie!
Shall we hold hands?
Erschienen im April 2025 auf The Anarchist Library, ins Deutsche übertragen von Bonustracks.