Toni Negri – Nous ne regretons rien. Mit Liebe von deinen Gefährten*

Wir veröffentlichen eine Erinnerung an Toni Negri, geschrieben von einigen Genossen aus Paris und aus anderen Orten der Welt, die die gleichen Ereignisse wie er erlebt haben oder jedenfalls die meisten seiner politischen Erfahrungen geteilt haben – inmitten von Leidenschaft, Repression, Exil. Am Ende des Textes die Liste der Unterzeichner (Effimera)

Toni Negri hat uns verlassen. Für einige von uns war er ein lieber Freund, für uns alle war er der Genosse, der sich im großen Zyklus der politischen Kämpfe der 1960er und der revolutionären Bewegungen der 1970er Jahre in Italien engagierte. Er war einer der Begründer des Operaismus und der Denker, der den Kämpfen der Arbeiter und des Proletariats im kapitalistischen Westen und den daraus resultierenden Umgestaltungen des Kapitals einen theoretischen Zusammenhang gab. Toni beschrieb die Multitude als eine Form politischer Subjektivität, die die Komplexität und Vielfalt der neuen Formen der Arbeit und des Widerstands widerspiegelt, die in der postindustriellen Gesellschaft entstanden sind. Ohne den theoretischen Beitrag von Toni und einigen anderen marxistischen Theoretikern hätte es keine Praxis gegeben, die dem Klassenkampf gerecht geworden wäre.

Ein Maestro, weder gut noch schlecht: Es war unsere Aufgabe und unser Privileg, seine Analysen zu interpretieren oder zu widerlegen. Es war vor allem unsere Aufgabe, und wir haben sie übernommen, den Kampf in unserem sozialen Umfeld, unser Handeln im politischen Kontext jener Jahre in die Praxis umzusetzen. Wir waren weder seine Jünger noch seine Gefolgsleute, und Toni hätte das auch nie gewollt. Wir waren freie politische Subjekte, die sich für ihr politisches Engagement entschieden, die ihren kämpferischen Weg wählten und die auch die kritischen und theoretischen Werkzeuge nutzten, die Toni ihnen mit auf den Weg gab.

Wir erinnern uns an Toni als unermüdlichen Militanten der sozialen und politischen Bewegungen in den 1960er und 1970er Jahren, als unerschütterlichen Förderer der Autonomia Operaia-Bewegung, als Hauptsündenbock der staatlichen Repression, die in der Razzia vom 7. April 1979 und dem anschließenden politischen Prozess gipfelte. Elfeinhalb Jahre Gefängnis, Einsatz von Spezialwaffen, Drohungen und Schläge waren der Preis, den der Staat ihn zahlen ließ. Wir erinnern uns auch an seine schmerzhafte und kontroverse Abreise aus Italien und sein Exil in Frankreich, in dem er nicht einen Moment lang sein Engagement für eine politische Lösung des Problems der Tausenden von politischen Militanten, die in Italien in Sondergefängnissen eingesperrt waren, aufgab. Ein Beweis dafür war die freiwillige Unterbrechung seines Exils und seine Rückkehr nach Italien im Jahr 1997 in der Hoffnung, zur Abschaffung der Sondergesetze beizutragen, was ihn aber stattdessen bis 2003 im Gefängnis bleiben ließ. Wir erinnern uns an ihn mit den Worten: “Der Kommunismus ist eine fröhliche, ethische und politische kollektive Leidenschaft, die gegen die Dreifaltigkeit von Eigentum, Grenzen und Kapital kämpft”. Wir erinnern uns an ihn als einen Mann, der immer ein offenes Ohr hatte, vor allem für die Jugend, einen Mann, der offen war für den Dialog und die Konfrontation, aber ein entschiedener Gegner jeder Ideologie und Praxis des Kapitals und der politischen Kräfte, die ihm institutionelle Formen geben.

Für die kulturelle, philosophische und politische Welt war Toni ein profunder Exeget der Gedanken Spinozas und einer der größten marxistischen Theoretiker an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Für uns war er auch und vor allem Genosse Toni. Mit Liebe nehmen wir Abschied, mit Liebe umarmen wir Judith, Anna, Nina und Checco.

Gianfranco Pancino, Loredana Zamuner, Giustiniano Zuccato,Isabella Annesi Maesano,Anna Soldati, Emanuela Bertoli, Sergio Bianchi, Donato Tagliapietra, Lia Lanzi, Leandro Barozzi, Giuliano Righi Riva, Sandra Doveri, Patrizio Galmarini, Maurizio Lazzarato, Gianni Mainardi, Agostino Mainardi, Jason Francis Mc Gimsey, Elicio Pantaleo, Ornello Turco, Barbara Bucco, Maurizio Gibertini, Teresa Passamonti, Italo Migliori, Angelo Gagliardi, Luciano Mioni, Mirco Dalle Carbonare, Gianni Sbrogiò, Patrizia Corrà, Roberto Segalla, Puccio Landi, Chicco Funaro, Lauso Zagato, Carlo Levi Minzi, Sandro Scarso, Marzio Sturaro, Paolo Benvegnù, Stefano Micheletti, Gigi Roggero, Paolo de Marchi, Paola Vellucci, Gaetano Grasso, Pino Cosenza, Emilio Mentasti, Giorgio, Ivan, Diego, Mara, Yuri Boscarolo, Piero Mancini, Paolo Carpignano, Icio Molinari, Fabrizio Sormonta, Piero Despali, Susanna Scotti, Gianfranco Ferri, Ulisse Marcato, Valerio Guizzardi, Ignazio Brivio, Flavio Restelli, Giorgio Moroni, Marco Scarfò, Giuli Peyronel, Giorgio Bonazzi, Saro Romeo, Tiziana Saccani, Giorgio Griziotti, Nadia Colella, Manuela Facinelli, Emilio Comencini, Angiola Zampieri, Annaflavia Bianchi, Fiorenzo Sperotto, Giovanni Giovannelli, Libero Maesano, Sandro Stella

Veröffentlicht am 19. Dezember 2023 auf EFFIMERA, übersetzt von Bonustracks.