Sabotage, Blockaden, Explosionen: Was ist bei den Landwirten los? (Frankreich)

Contre Attaque

Am Freitag, den 19. Januar, bläst eine Explosion das Erdgeschoss der DREAL de l’Aude – der regionalen Direktion für Umwelt, Raumplanung und Wohnungsbau – in die Luft. Ein staatliches Gebäude wird durch eine Bombe zerstört. Zu der Aktion bekennt sich das CAV oder Comité d’action viticole, eine Untergrundgruppe von Weinproduzenten.

Zulässige Zerstörungen

Die Aktion findet im Rahmen einer starken Bewegung in der Welt der Landwirtschaft statt. Zusätzlich zu dieser Explosion gibt es seit mehreren Wochen zahlreiche Sabotageakte, sehr mächtige Autobahnblockaden durch Traktoren, verwüstete Präfekturen… Am 22. Januar wird sogar eine TGV-Linie in der Nähe von Sète von Traktoren blockiert, die Reifen und Müll auf die Schienen schieben.

All diese Aktionen sind beeindruckend. Wir erinnern uns, dass 2008 ein Antiterrorverfahren gegen “Ultralinke” eröffnet wurde, weil sie eine TGV-Linie gestört hatten: die erbärmliche Tarnac-Affäre. Wir erinnern uns auch an die Massenverhaftungen und Verstümmelungen bei Demonstrationen aufgrund von Sachbeschädigungen, die im Vergleich zu den Aktionen der Landwirte verschwindend unbedeutend waren. Wir erinnern uns an die Anschuldigungen des “Ökoterrorismus” im Zusammenhang mit den Demonstrationen für die Wasserressourcen in Sainte-Soline. Was die Sprengung eines öffentlichen Gebäudes angeht, so möchte man sich die repressiven und medialen Konsequenzen lieber gar nicht erst vorstellen, wenn dies von einer antikapitalistischen Gruppe ausgegangen wäre.

In diesem Fall ist nichts davon der Fall. Emmanuel Macron fordert die Präfekten auf, sich “die Probleme” der wütenden Landwirte anzuhören. Gabriel Attal empfängt ihre Vertreter direkt im Matignon. Der rechtsextreme Sender Cnews, der sich sonst über “Verslumung” und “Gewalt” Sorgen macht, unterstützt die Bewegung und stellt sein Logo aus Solidarität auf den Kopf, so wie die Landwirte, die Verkehrsschilder umwerfen. Wenn eine Protestbewegung derart von den Medien der Milliardäre und der Regierung gedeckt wird, ist etwas faul.

Ein echtes Unbehagen

Damit wir uns richtig verstehen: Die Landwirtschaft hat allen Grund, sich zu empören. Frankreich ist ein großes Agrarland und zählte 1945 10 Millionen Bauern, d. h. mehr als ein Viertel der Bevölkerung. Im Jahr 2019 gab es nur noch 400.000 Landwirte, eine Reduzierung um den Faktor 20.

Eine ganze Welt ist verschwunden. Know-how, Geselligkeit, lebendige Landschaften, die getötet wurden. Der Produktivismus hat alles zerstört, die Flurbereinigung der 1960er Jahre hat große Parzellen geschaffen, die in immer weniger Händen konzentriert sind, die Agrarindustrie hat die Bauern in Unternehmer verwandelt, die gezwungen sind, immer mehr zu produzieren, um rentabel zu sein und Subventionen zu erhalten, und das alles mit Pestiziden übergossen.

Heute sind die Landwirte durch die Selbstmorde, die in diesem Beruf sehr zahlreich sind, aber auch durch Unfälle, Krankheiten, Einsamkeit und den Druck der großen Handelsketten hart betroffen. Die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft leiden, das ist unbestreitbar.

In den kommenden Jahren wird ein Großteil der Landwirte in den Ruhestand gehen, und es besteht die große Gefahr, dass große Konzerne Land aufkaufen und Hektar anhäufen, wodurch die produktivistische Logik auf Kosten der kleinen Erzeuger noch verstärkt wird.

Eine Vereinnahmung durch die mit der Regierung verbandelte Lobby der Agrarindustrie

Noch tragischer ist, dass sich diese notleidende landwirtschaftliche Welt in die Arme derer wirft, die für ihre Misere verantwortlich sind.

Derjenige, den man derzeit über die Fernsehbildschirme und in die Regierungsbüros marschieren sieht, heißt Arnaud Rousseau. Man hört ihn im Radio sagen: “Was die Landwirte wollen, ist, ihrem Beruf wieder eine Art Würde zu verleihen”.

Dennoch gehört Arnaud Rousseau zu denjenigen, die die Würde dieses Berufsstandes zerstören. Er leitet die FNSEA, eine mächtige Lobby der Agrarindustrie, die mit der Regierung verbunden ist. Es ist die FNSEA, die den Produktivismus, die neoliberale Landwirtschaft und die Deregulierungen fördert. Es ist die FNSEA, die es den Großbauern ermöglicht, die Kleinbauern zu fressen. Es ist die FNSEA, die die Bauernschaft zerstört hat. Es ist daher verwirrend, dass die Organisation, die für die Unzufriedenheit der Bauern verantwortlich ist, zu ihrem Sprachrohr geworden ist.

Aber es kommt noch schlimmer. Arnaud Rousseau leitet nicht nur die FNSEA, sondern auch einen riesigen Betrieb von 700 Hektar und ist Vorsitzender der Avril-Gruppe, eines multinationalen Agrobusiness-Unternehmens, das sich auf Öl spezialisiert hat und bis 2022 über 9 Milliarden Euro eingenommen hat. Ja, 9 Milliarden.

Die Gründe für diese Rekordzahlen? Die Inflation. Sein Konzern hat seine Umsatzzahlen im Vergleich zu 2021 um 32 % gesteigert und vor allem 218 Millionen Euro Gewinn gemacht, ein Anstieg um 45 % im Jahresvergleich. Rousseau hat sich an der Unterschicht bereichert, die mehr bezahlt hat. Er ist auch Generaldirektor von Biogaz du Multien, einem Unternehmen, das sich auf Biogasanlagen spezialisiert hat.

Arnaud Rousseau hat nichts von einem Bauern, der an sein Land gebunden ist. Er ist ein Unternehmer, ein großer Chef, der über seine Hektar herrscht, wie ein Manager über eine Fabrik herrschen würde. Er ist Absolvent der European Business School in Paris und handelt auf den Finanzmärkten mit Agrarrohstoffen. Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Arnaud Rousseau und dem kleinen Landwirt in der Bretagne, der kaum über die Runden kommt? Keine. Außer, dass der Erste vom Elend des Zweiten lebt.

Die Bauernwelt ist ein Klassenkampf

Kommen wir zurück zur Explosion in Südfrankreich. Im November letzten Jahres versammelten sich fast 6000 Weinbauern in Narbonne, um dem Aufruf der FNSEA zu folgen, und prangerten die katastrophale Situation der Weinbauern im Jahr 2023 an. Zu den Schuldigen gehörten “die extremistischen Umweltschützer”, die ihrer Meinung nach “unhaltbare” Normen aufstellten.

Die FNSEA forderte von der Regierung Soforthilfen und eine Beschränkung des Wettbewerbs mit ausländischen Weinen, während viele französische Winzer selbst vom Export ihrer Weine profitieren. Die Hauptforderung war also eine Art Protektionismus à la Trump, bei dem alle (außer den Arbeitgebern) als Verlierer hervorgehen.

Immerhin hat das Comité d’Action Viticole das Recht, Bomben zu legen, während jeder soziale Protest mit eiserner Hand niedergeschlagen wird. Das CAV hat übrigens seit den 1960er Jahren zahlreiche Anschläge verübt, darunter die Ermordung eines Polizisten oder die Sprengung einer PS-Parteizentrale in der Nähe einer Schule, ohne dass seine Mitglieder wirklich behelligt wurden.

Ist die Wut der Landwirte dazu verurteilt, von den Lobbyisten des Agrobusiness zur großen Zufriedenheit der herrschenden Neoliberalen vereinnahmt zu werden? Nein. Es gibt auch die Confédération Paysanne, eine linksgerichtete Gewerkschaft, die gegen die produktivistische Landwirtschaft und eher für eine Globalisierungskritik ist und die von der FNSEA propagierten Lösungen anprangert.

Die Confédération Paysanne, die gegen Landgrabbing und Intensivlandwirtschaft ist, kämpft wirklich für die Würde des Berufs, für das Ende der Monopole auf dem Land und für die Rückkehr zum Land.

Im Fall der Winzer betonte die Confédération die Heuchelei der intensiven Landwirtschaft, die dank Subventionen überlebt, und erklärte, dass es keinen Sinn mache, “dürrebedingte geringe Ernten in einem allgemeinen Kontext der Überproduktion zu beklagen”, “während wir Regulierungs- und Solidaritätsmaßnahmen in Betracht ziehen müssen, um die eklatante Verzerrung zwischen bewässerten und nicht bewässerten Sektoren zu begrenzen”, oder positionierte sich gegen den Vorschlag, die isoliertesten Parzellen zu zerstören.

Für eine Landwirtschaft, die die Menschen und die Erde respektiert

Und stellen Sie sich vor, die Confédération Paysanne wird hingegen unterdrückt. Wenn sie die Heckenlandschaft von Notre-Dame-des-Landes gegen ein Flughafenprojekt verteidigt. Wenn sie gegen GVOs oder Pestizide demonstriert. Wenn sie gegen Landgrabbing durch die Agrarindustrie oder gegen Megabassins kämpft. Die Mitglieder dieser Gewerkschaft werden dann mit Reizgas besprüht, festgenommen und in den Medien als gefährliche Protestler dargestellt und nicht mehr als sympathische, wütende Landwirte.

Für die Machthaber gibt es also “gute” und “schlechte” Bauernrevolten. Angesichts der Medienberichterstattung über die aktuellen Proteste können Sie sich leicht ausrechnen, welche Interessen vertreten werden.

Aber machen wir uns nichts vor: Keine Lösung wird aus den Vorschlägen zur Unterstützung der industriellen und umweltschädlichen Landwirtschaft kommen. Es ist das Landwirtschaftsmodell, das geändert werden muss, nicht nur die Höhe der Zuwendungen oder die ökologischen Regeln. Der Zorn der Bauern ist zwar berechtigt, die Ziele, auf die er abzielt, sind es jedoch nicht: Es gibt einen Klassenkampf zwischen Großbauern und Kleinbauern, und diesen gilt es wiederzubeleben. Über die Confédération Paysanne hinaus finden überall Experimente für eine andere Landwirtschaft statt, die die Erde, die Vielfalt und das Leben respektiert.

Übersetzt aus dem Französischen von Bonustracks.