Giorgio Agamben
Zwei Nächte bevor mich die Nachricht vom Tod von Antonio – Toni – Negri erreichte, träumte ich lange von ihm und seine Anwesenheit war so lebendig, dass ich beim Aufwachen das Bedürfnis verspürte, ihm zu schreiben. Meine Nachricht an die alte E-Mail-Adresse, die ich seit Jahren nicht mehr benutzt hatte, konnte ihn nicht erreichen. Als ich ihr von dem Traum erzählte, sagte eine Freundin zu mir: “Er wollte sich von dir verabschieden, bevor er geht”. Selbst bei der Divergenz unserer Gedanken, die mit der Zeit immer deutlicher wurde, verband uns etwas hartnäckig, was in erster Linie mit seiner großzügigen, rastlosen, pointierten Vitalität zu tun hatte, die ich sofort spürte, als ich ihn 1987 in Paris zum ersten Mal traf.
Mit dem Verschwinden von Toni habe ich das Gefühl, dass etwas fehlt – in mir, unter meinen Füßen, vielleicht vor allem hinter mir, als ob ein Teil meiner Vergangenheit plötzlich gegenwärtig wird und mir fehlt. Und dieses Fehlen betrifft nicht nur mich, sondern unser ganzes Land und seine Geschichte, die immer verlogener, immer vergesslicher wird, wie die hasserfüllten Nachrufe zeigen, die nur an den schlechten Lehrer erinnern und nicht an das schlechte, grausame Land, in dem er leben mußte und das er, vielleicht irrtümlicherweise, besser zu machen versuchte. Denn Toni hat, ausgehend von der marxistischen Tradition, der er angehörte und die ihn vielleicht geprägt und zugleich verraten hat, sicherlich versucht, sich mit dem Schicksal Italiens und der Welt in der extremsten Etappe des Kapitalismus zu messen, die wir gegenwärtig durchlaufen, mit wer weiß welchem elenden Ende. Und das ist es, was diejenigen, die weiterhin sein Andenken verunglimpfen, weder wagen noch jemals in der Lage wären zu tun.
Übersetzt aus dem italienischen Original von Bonustracks.