Neben der immer deutlicher werdenden Verschärfung der sicherheitspolitischen Maßnahmen, der Segregations- und Ausgrenzungsmaßnahmen und der Mechanismen zur Bevölkerungskontrolle, die die Kontrolle des europäischen Territoriums in den letzten Jahrzehnten geprägt haben, erleben wir derzeit gleichzeitig das Erstarken rechtsextremer Positionen. Organisierte neonazistische und neofaschistische Gruppen, die über einen großen Handlungsspielraum außerhalb und innerhalb von Institutionen verfügen, breiten sich immer mehr aus.
Jahrzehntelange tiefe wirtschaftliche und soziale Krisen haben nicht nur die ärmsten und schwächsten Bevölkerungsschichten in die Knie gezwungen, sondern auch einen fruchtbaren Boden für die Propagierung populistischer, identitärer und stark reaktionärer Ideen geschaffen. Verschiedene politische Kräfte, die mehr oder weniger institutionalisiert sind, haben in den letzten Jahren die Früchte dieser Propaganda geerntet: von der wachsenden Zustimmung für die großen europäischen Rechtsparteien wie Rassemblement National, Lega und Fratelli d’Italia, AfD und Vox bis hin zum Erfolg der von Faschisten angezettelten Straßendemonstrationen. Die mazedonische Unabhängigkeitsbewegung in Griechenland, die Infiltration von Faschisten auf mehreren Plätzen gegen die Covid-19-Beschränkungen, die jüngsten Unruhen in Spanien gegen die Amnestie für katalanische Separatisten oder die rassistischen Ausschreitungen in Dublin sind nur einige Beispiele, die einem einfallen.
In diesem Kontext immer deutlicherer und einschneidenderer Unterdrückung und der jähen Neuanpassung des globalen Kapitalismus sind diejenigen, die sich organisieren, um Widerstand zu leisten und die Gewalt von Staaten, Kapital und ihren rechtsextremen Wächtern zu bekämpfen, mit immer umfassenderer und aggressiverer Repression konfrontiert. In dunklen Zeiten, wie wir sie erleben, in denen die Winde des Krieges immer lauter in unseren Ohren pfeifen, werden die Unterdrückung des inneren Feindes und die soziale Befriedung zu den Prioritäten aller nationalen Regierungen.
In diesem allgemeinem Kontext, während die Europäische Union über die Möglichkeit nachdenkt, antifaschistische Gruppen in die Liste der als Terroristen bezeichneten Organisationen aufzunehmen, befinden sich in Ungarn seit Februar 2023 zwei Genossen im Gefängnis. Beide sind in Ermittlungen der ungarischen Polizei wegen Angriffen auf Neonazis verwickelt, die am Wochenende des “Tages der Ehre” aus ganz Europa nach Budapest gekommen waren. Ein Feiertag, an dem die Nazis der Vernichtung der deutschen Wehrmacht am 11. Februar ’45 durch die Rote Armee während der Belagerung von Budapest gedenken.
Die Anklageburg der ungarischen Staatsanwälte beschränkt sich jedoch weder auf die Ereignisse in Budapest noch auf die Gedenktage: Im Rahmen einer immer engeren Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und Polizeibehörden versuchen die Ermittler, die Taten in Ungarn mit einem viel umfassenderen Verfahren in Verbindung zu bringen, das 2018 in Deutschland eröffnet wurde: dem sogenannten “AntifaOst”-Ermittlungsverfahren, in dem mehrere deutsche Genossen beschuldigt werden, Angriffe auf prominente Mitglieder der deutschen Neonaziszene verübt zu haben. Damit soll die Existenz einer kriminellen Phantomvereinigung bestätigt werden, die die Anschläge in Ungarn organisiert haben soll.
Aus diesem Grund hat die ungarische Staatsanwaltschaft neben Ilaria und Tobias, die in Budapest inhaftiert sind, 14 Europäische Haftbefehle gegen ebenso viele deutsche, italienische, albanische und syrische Genossen beantragt. Viele von ihnen sind bis heute unauffindbar.
Gabriele, ein Genosse aus Mailand, steht seit dem 22. November unter Hausarrest mit allen Einschränkungen, nachdem einer dieser Haftbefehle vollstreckt worden ist.
Das Verfahren, in dem über seine Auslieferung von Italien nach Ungarn entschieden wird, wird voraussichtlich im Januar 2024 enden, dem Monat, in dem in Budapest der Prozess gegen Ilaria, Tobias und einen dritten mit ihnen angeklagten Genossen beginnen wird. Ihnen wird vorgeworfen, an den Angriffen beteiligt gewesen zu sein und der mutmaßlichen Vereinigung, die die Angriffe organisiert hat, angehört zu haben oder sie zu kennen.
Am 13. Januar werden wir nicht nur auf die Straße gehen, um unsere Solidarität und Verbundenheit mit den Gefangenen in Budapest sowie mit Gabriele und den gesuchten Genossinnen und Genossen deutlich zum Ausdruck zu bringen, sondern auch, um klar zu machen, dass wir Partei ergriffen haben.
Wir haben uns entschieden, den Kampf gegen Faschisten und Nazis nicht an jene demokratischen institutionellen Apparate zu delegieren, die nichts anderes tun, als sie im Namen einer gepriesenen “Meinungsfreiheit” zu verteidigen und zu legitimieren. Wir sind überzeugt, dass die Faschisten direkt bekämpft werden müssen, in diesem historischen Moment mehr denn je. Wir fordern militante Praktiken und glauben, dass es notwendig ist, sie in allen Bereichen anzuwenden, um die Nazigruppen zu stoppen.
Auch in italienischen Städten, wenn auch weniger gewalttätig als in anderen europäischen Zusammenhängen, sind Faschisten präsent und versuchen, ihr Haupt zu erheben. Diese Diener des Kapitals, falsche Rebellen, die nur zur Aufrechterhaltung der bestehenden Gesellschaftsordnung dienen, müssen im Keim zerschlagen werden!
Jeden Tag entscheiden wir uns in unseren Kämpfen und auf unseren Wegen dafür, an der Seite derjenigen zu stehen, die sich den Bossen widersetzen, derjenigen, die ausgebeutet werden, derjenigen, die unter Unterdrückung leiden, derjenigen, die sich gegen imperialistische Kriege wehren und beschließen, zurückzuschlagen, derjenigen, die ihre Freiheit nicht aufgeben.
Wir stellen uns gegen die Grenzen, die militärisch kontrolliert und geschlossen werden und die Menschen, die aus dem Elend fliehen, daran hindern, einen sicheren Ort zu finden, jene, die in Wahrheit ihr Leben aufs Spiel setzen.
Dieselben Grenzen, an denen täglich Migranten sterben, waren schon immer das Terrain für politische Repression und kapillare Kontrolle des Territoriums. In letzter Zeit wurden die administrativen Instrumente verfeinert, beschleunigt und in gewisser Weise “entpolitisiert”. Um nur einige Beispiele zu nennen, denken wir an die italienischen Genossen, die Anfang Juni anlässlich des Gedenkens an Clement Meric in Paris festgenommen und zurückgeschickt wurden, oder an die Dutzenden von Genossen, die an der Grenze mit einem Einreiseverbot für die No-Tav-Demonstration in Val Maurienne Ende Juni blockiert wurden, oder an die scheinbar “lebenslangen” Einreiseverbote, die nach dem großen Kampftag gegen die Mega-Wasserbecken in Saint Soline am 25. März mitgeteilt wurden. Diese Beispiele zeigen, dass politische Dissidenten immer stärker kontrolliert werden und dass die europäischen Polizeikräfte sehr eng zusammenarbeiten, aber auch, dass Instrumente wie der Europäische Haftbefehl immer skrupelloser und “effektiver” eingesetzt werden.
Wir werden uns nicht von der Repression unterkriegen lassen, und wir werden nicht aufgeben, uns in Kampfzusammenhänge zu begeben, selbst weit weg von den Orten, an denen wir uns jeden Tag befinden.
Wir sind dafür, in der ersten Person zu handeln und unsere Kämpfe nicht an Institutionen und den Staat zu delegieren, die alles akzeptieren, was in ihren Kanon von Demokratie und Befriedung fällt, indem sie versuchen, ihr Gesicht mit schönen Worten zu reinigen, die nur Worte bleiben.
Eine Welt frei von Faschismus und Faschisten ist möglich, es liegt an uns, sie zu schaffen.
FREIHEIT FÜR ILARIA, TOBIAS UND GABRIELE!
SOLIDARITÄT MIT DEN GENOSSEN UND GENOSSINNEN, GEGEN DIE ERMITTELT WIRD UND DIE AUF DER FLUCHT SIND!
SOLIDARITÄT MIT DEN BETROFFENEN DER ERMITTLUNGEN WEGEN DER ANTIFASCHISTISCHEN AKTIONEN IN BUDAPEST
FREIHEIT FÜR ALLE!
Landesweite Demo am 13. Januar 2024, 15:00 Uhr – Piazza Durante
Übersetzt aus dem Italienischen von Bonustracks.